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100 Jahre Neues Frankfurt – Was bleibt von der Vision?

04.08.2025 - Publikationen

Vor 100 Jahren legte Ernst May den Grundstein für ein städtebauliches Reformprogramm, das bis heute weltweit Maßstäbe setzt: Das Neue Frankfurt. Mit über 12.000 Wohnungen in nur fünf Jahren, eingebettet in durchdachte Quartiere mit Schulen, Grünflächen und sozialer Infrastruktur, war es ein radikal modernes Konzept – funktional, sozial, humanistisch.

Doch was ist geblieben von dieser Utopie?

Die Architektin Astrid Wuttke, Partnerin bei schneider+schumacher und Vorsitzende der ernst-may-gesellschaft, spricht mit dem Redakteur Christoph Scheffer im Podcast von hr-iNFO über den heutigen Zustand der Siedlungen: „Ernst May spielte in meinem Studium kaum eine Rolle“, erzählt sie. Erst mit zunehmendem Abstand wurde ihr bewusst, welche städtebauliche und soziale Qualität in den May-Siedlungen steckt. Wuttke kritisiert den oft schlechten baulichen Zustand vieler Siedlungen – nicht nur aus ästhetischer, sondern auch aus denkmalpflegerischer und sozialer Sicht. Verantwortlich sei unter anderem ein Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Die Stadt Frankfurt solle sich fragen, ob sie sich das wirklich nicht leisten kann – diese Substanz sei einzigartig.

Gleichzeitig erinnert sie daran, dass das Neue Frankfurt weit mehr war als eine städtebauliche Leistung: Es war ein gesellschaftliches Reformprojekt, das sich grundlegend mit Lebensrealitäten befasste. Neue Grundrisse, durchdachte Küchen, funktionale Möbel. Man hat sich gefragt, was die Menschen brauchen – und wie sie leben. Dieser ganzheitliche Ansatz fehle heute: Der gegenwärtige Wohnungsbau sei oft auf schnelle und billige Lösungen reduziert – dabei müsste nachhaltige Architektur für mindestens 100 Jahre gedacht werden.

Ihr Appell: Mut zu klaren Entscheidungen, mehr gestalterische Entschlossenheit und ein neues Selbstverständnis in der Stadtplanung.

Das ganz Interview ist hier zu finden!

 

Bild von Astrid Wuttke: Kirsten Bucher

Flugzeugaufnahme der Siedlung Römerstadt um 1929: Sammlung der ernst-may-gesellschaft, Fotograf unbekannt

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